Fragetechniken – Die Kunst, wieder in Fragen zu denken
- tobiasmhertel
- 12. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Wir alle sind mit dem Satz „Wer fragt, führt“ schon einmal in Berührung gekommen. Und trotzdem denken wir im Alltag – vor allem in beruflichen Gesprächen – häufiger in Aussagen als in Fragen.
Vielleicht erkennst du dich in dieser Szene wieder: Du sitzt in einem Meeting, bist unsicher bei einem Thema, und anstatt eine Frage zu stellen, beginnst du zu reden. Und zu reden. In der Hoffnung, dass niemand merkt, dass du eigentlich gerade versuchst, eine Wissenslücke zu kaschieren.
Diese Gewohnheit ist kein Zufall. Sie ist tief in uns verankert.
Wie wir das Fragen verlernen
Ein großer Teil davon beginnt in der Schule. Dort werden wir mit Fragen konfrontiert – aber die Spielregeln sind klar: Die „richtige“ Antwort zählt. Eine falsche Antwort, ein „weiß ich nicht“ oder gar eine Gegenfrage? Bringt keine Punkte.
So lernen wir, dass es besser ist, irgendetwas zu sagen, als offen zuzugeben, dass wir nicht alles wissen. Wir trainieren uns an, in Aussagen zu denken. Und wie bei jeder wiederholten Übung verfestigt sich dieses Muster – belohnt durch gute Noten oder positives Feedback.
Das Ergebnis: Im Berufsleben setzen wir lieber schnell eine Aussage, als erst einmal zu fragen. Wir präsentieren Halbwissen statt Lücken zu füllen.
Was wir dabei verlieren
Dieses „Denken in Aussagen“ hat einen Preis. Wir verlieren:
Tiefe – weil wir nicht nachhaken, bevor wir urteilen.
Verbindung – weil wir unser Gegenüber nicht wirklich verstehen.
Lernchancen – weil wir Informationen, die außerhalb unseres aktuellen Wissens liegen, gar nicht einholen.
Psychodynamisch betrachtet ist das eine Abwehr: Wir schützen unser Selbstbild („Ich bin kompetent“) vor der Kränkung, etwas nicht zu wissen. Das Problem: Wir verlieren dadurch Zugang zu genau den Informationen, die uns weiterbringen würden.
Die Frage als Werkzeug wiederentdecken
Die gute Nachricht: Fragen zu stellen ist wie ein Muskel – er lässt sich trainieren. Und der Einstieg ist leichter, als viele denken.
Eine einfache Übung ist das Ja-Nein-Fragespiel. Dabei gibt es nur vier mögliche Antworten: Ja, Nein, weiß ich nicht, irrelevant.Ein Beispiel: „Hätte sie ihren Handschuh noch an, dann wäre sie nicht gestorben.“
Viele reagieren sofort mit Hypothesen – „War sie im Schnee? Ist sie erfroren?“ – statt zunächst die Rahmenbedingungen abzufragen. Die richtige Antwort hier: Die Frau war im Weltall, und dort ist das Ausziehen eines Handschuhs tödlich.
Der Knackpunkt: Wer systematisch fragt – erst allgemein, dann spezifisch – kommt schneller ans Ziel. Wer vorschnell in Aussagen denkt, irrt länger umher.
Vom Kind zum Profi-Frager
Kinder sind Meister im Fragenstellen. Sie wollen verstehen, entdecken, begreifen.Wir Erwachsenen können uns dieses Denken zurückholen – indem wir bewusst den Schritt zurück machen und neugierig bleiben, auch wenn wir das Gefühl haben, schon alles zu wissen.
Das bedeutet im Alltag:
Fragen vor Hypothesen
Verstehen vor Bewerten
Offen bleiben, auch wenn es unbequem ist
Ein kleiner Selbsttest
Beantworte diese Fragen ehrlich für dich:
Neigst du zu langen Monologen, wenn du im Gespräch unsicher bist?
Übernimmt dein Gegenüber häufiger die Gesprächsführung, weil du keine gezielten Fragen stellst?
Wenn du hier mit „Ja“ antwortest, ist es Zeit, deinen Fragen-Muskel zu trainieren.

Fazit
Fragen sind nicht nur ein rhetorisches Werkzeug. Sie sind ein Türöffner – zu besseren Gesprächen, zu tieferem Verständnis und zu echtem Einfluss.
Also: Welche Frage wirst du heute stellen, bevor du eine Antwort gibst?
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